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Symbolfoto: Das AIT ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung

Neue Wege zur Qualitätssteigerung durch echtzeitfähige mathematische Modelle in der Stahlproduktion

24.06.2024

Optimierung des Kühlprozesses von Stahlbändern

In der Stahlindustrie ist die optimale Kühlung von Stahlbändern für die Produktqualität unerlässlich.

Die Wissenschaftler Martin Niederer und Andreas Kugi vom AIT Austrian Institute of Technology haben zusammen mit ihren Kolleg:innen Paul Zeman, Gerald Helekal und Hannes Seyrkammer von der voestalpine Stahl GmbH sowie Solveig Sannes und Andreas Steinboeck von der TU Wien ein neues echtzeitfähiges mathematisches Modell entwickelt. Dieses Modell beschreibt die zeitliche und örtliche Entwicklung von Temperatur und Phasenanteilen in einem Stahlband während des Abkühlprozesses. Unter dem Titel "A control-oriented mathematical model for the evolution of temperatures and phases in a steel strip during cooling" wurde das Modell in der Fachzeitschrift „International Journal of Heat and Mass Transfer“ veröffentlicht. Ziel ist es, genaue Vorhersagen von Phasenumwandlungen und Temperaturverläufen zu machen und in Kombination mit modernen Regelungskonzepten die Produktqualität zu verbessern.

Zusammenfassung der Forschungsergebnisse

Die Veröffentlichung stellt ein gegenüber dem Stand der Technik in der Prozessautomatisierung von Stahlbändern neuartiges dynamisches Zustandsmodell vor, das die örtliche und zeitliche Entwicklung der Temperatur und Phasenanteile in einem Stahlband während des Abkühlprozesses präzise in Echtzeit beschreibt. Ein Forschungsschwerpunkt lag auf der Beschreibung der Phasenentwicklung, d.h. der Umwandlung von Austenit in die Phasen Ferrit, Bainit und Martensit. Das Modell berücksichtigt die Kopplung zwischen den Phasenumwandlungen und der Temperaturentwicklung des Stahlbandes und bildet die wesentlichen Wärmeübertragungsmechanismen wie Konvektion und Strahlung ab. Es zeichnet sich vor allem durch seine Genauigkeit bei gleichzeitig geringem numerischem Aufwand aus, was es besonders attraktiv für Echtzeitoptimierung, -regelung und -monitoring im industriellen Umfeld macht.

Die Brauchbarkeit und Genauigkeit des Modells wurden durch umfassende Vergleiche von Simulationsergebnissen mit Messdaten sowohl aus experimentellen Materialtests als auch aus dem laufenden Betrieb der realen industriellen Anlage nachgewiesen.

Bedeutung und Ausblick

In der modernen Stahlproduktion ist die genaue Temperaturentwicklung von Stahlbändern während der Kühlung entscheidend für die Produktqualität. Diese beeinflusst die Entstehung von unterschiedlichen Phasen, die maßgeblich für die Materialeigenschaften und damit für die finale Produktqualität des Stahlprodukts sind. Die Stahlprodukte finden in einem breiten Anwendungsgebiet wie beispielsweise in der Automobilindustrie großen Einsatz. Mit dem vorgestellten echtzeitfähigen Modell kann die Entwicklung sowohl der Temperatur als auch der Phasenanteile während der Kühlung beschrieben werden. Es ermöglicht damit eine verbesserte Produktqualität durch genauere Temperaturregelung mit modernen Methoden der Regelungstechnik und stellt eine solide Basis für weitere Forschungsarbeiten hin zur direkten Regelung der Phasenanteile dar.

Durch die Zusammenarbeit mit der voestalpine Stahl GmbH und der Technischen Universität Wien konnte das AIT einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der industriellen Wärmebehandlungsprozesse in der Stahlproduktion leisten.

Wir gratulieren den Autoren Martin Niederer und Andreas Kugi sowie ihren Kolleg:innen der voestalpine Stahl GmbH und der TU Wien zu diesem großen Erfolg und freuen uns auf die weiteren Entwicklungen in diesem spannenden Forschungsfeld.

M. Niederer, P. Zeman, S. Sannes, H. Seyrkammer, G. Helekal, A. Kugi, A. Steinboeck, A control-oriented mathematical model for the evolution of temperatures and phases in a steel strip during cooling, International Journal of Heat and Mass Transfer, Volume 225, 2024, 125365, https://doi.org/10.1016/j.ijheatmasstransfer.2024.125365.

 

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