Wasserstoff in der Industrie: Zukunftsperspektiven und Anwendungen in Chemie, Stahl und der Produktion emissionsarmer Brennstoffe
Vor allem in den industriellen Sektoren Chemie und Eisen und Stahl sowie der Raffination wird Wasserstoff bereits heute in großem Umfang verwendet. Etwas mehr als die Hälfte des aktuellen globalen Verbrauchs entfällt auf die Industrie, und davon wiederum etwa 60 % auf Ammoniak1, 30 % für Methanol und 10 % für die Direktreduktion („Dircet Reduced Iron“, DRI) im Sektor Eisen und Stahl. Der restliche Wasserstoffverbrauch entfällt im Wesentlichen auf die Raffinerien.
Emissionsarme Wasserstoffproduktion für die Industrie
Praktisch der gesamte in der Industrie verwendete Wasserstoff wird aktuell aus vollemittierenden fossilen Brennstoffen in denselben Anlagen hergestellt, in denen er auch verwendet wird. Um die Klimaziele zu erreichen, muss die industrielle Wasserstoffproduktionskapazität mittel- bis langfristig emissionsarm sein. Dies bedeutet, dass der größte Teil der neuen Kapazitäten entsprechend emissionsarm sein muss, aber auch einige der bestehenden Anlagen müssen nachgerüstet werden. Neben den traditionellen Anwendungen in der Raffination, Chemie- und Stahlindustrie steigt der Wasserstoffverbrauch zusätzlich in neuen industriellen Anwendungen, insbesondere in der 100%igen Wasserstoff-DRI und Hochtemperatur-Anwendungen.
Der Anteil von emissionsarm hergestellten Wasserstoff mittels Elektrolyse liegt aktuell im niedrigen einstelligen Prozentbereich und machte in den vergangenen Jahren kaum nennenswerten Fortschritte. Die zukünftigen Aussichten scheinen jedoch deutlich besser zu sein, vor allem in Europa, wo aktuell zahlreiche zusätzliche Projekte angekündigt bzw. in Planung sind. Neben der Wasserstofferzeugung vor Ort zielt eine beträchtliche Anzahl von geplanten Projekten darauf ab, Wasserstoff in großen Mengen an vorteilhaften Standorten, wie in Europa zum Beispiel Spanien, zentral zu erzeugen und an verschiedene industrielle Verbraucher zu liefern, um so das Risiko zu streuen. Hierzu ist allerdings wiederum eine Transportinfrastruktur erforderlich.
Wasserstoff in der Industrie als Prozessgas
Wasserstoff wird in der Industrie als Prozessgas in verschiedenen Bereichen eingesetzt, da er hochreaktiv, leicht und sauber verbrennbar ist. Besonders in der Chemie-, Metall- und Lebensmittelindustrie spielt er eine wichtige Rolle.
Wasserstoff in der Chemieindustrie
Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle in der Chemieindustrie als Rohstoff und Prozessgas. Er wird vor allem für Syntheseprozesse, Reduktionsreaktionen und als Energieträger genutzt.
Ein besonders bedeutender Einsatzbereich ist die Ammoniaksynthese im Haber-Bosch-Verfahren. Hier reagiert Wasserstoff mit Stickstoff unter hohem Druck und hoher Temperatur zu Ammoniak (NH₃), das als Grundstoff für Düngemittel und chemische Produkte dient. Ein weiterer wichtiger Prozess ist die Methanolsynthese, bei der Wasserstoff mit Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid zu Methanol reagiert, das als Lösungsmittel, Treibstoffzusatz und Grundstoff für viele chemische Produkte verwendet wird.
In der Petrochemie wird Wasserstoff zur Hydrodesulfurierung eingesetzt, um Schwefelverbindungen aus Erdölprodukten zu entfernen. Dies ist entscheidend für die Herstellung schwefelarmer Kraftstoffe, die umweltfreundlicher verbrennen. Auch die Hydrierung von organischen Verbindungen, wie bei der Fetthärtung in der Lebensmittelindustrie oder der Herstellung von Kunststoffen und Pharmazeutika, basiert auf Wasserstoffreaktionen.
Darüber hinaus dient Wasserstoff als Reduktionsmittel in chemischen Prozessen, etwa bei der Herstellung von Metallen und Halbleitermaterialien. In der Zukunft wird Wasserstoff zudem eine größere Rolle als nachhaltiger chemischer Rohstoff spielen, insbesondere in Kombination mit Kohlendioxid zur Erzeugung synthetischer Kraftstoffe oder Plattformchemikalien für eine umweltfreundlichere Produktion.
Wasserstoff in der Metallindustrie & Stahlindustrie
Wasserstoff spielt eine immer wichtigere Rolle in der Metall- und Stahlindustrie, insbesondere als Reduktionsmittel und Prozessgas. Traditionell werden Metalle durch Kohlenstoff (z. B. Koks) reduziert, wobei große Mengen CO₂ entstehen. Wasserstoff bietet hier eine klimafreundliche Alternative, da er Sauerstoff aus Erzverbindungen lösen kann, ohne CO₂, sondern nur Wasserdampf (H₂O) als Nebenprodukt zu erzeugen.
Einsatz in der Stahlproduktion
Ein zentraler Prozess ist die direkte Reduktion von Eisen (Direct Reduced Iron, DRI). Hier wird Eisenerz (Fe₂O₃) mit Wasserstoff anstelle von Kohlenstoff reduziert:
Fe₂O₃ + 3H₂ → 2Fe + 3H₂O
Das entstehende Eisen kann anschließend in Elektrolichtbogenöfen zu Stahl weiterverarbeitet werden. Dieses Verfahren, auch als grüne Stahlproduktion bezeichnet, hat das Potenzial, die CO₂-Emissionen der Stahlindustrie drastisch zu senken.
Weitere Anwendungen in der Metallverarbeitung
Neben der Reduktion wird Wasserstoff in der Metallindustrie als Schutzgas eingesetzt, um Oxidationen zu verhindern. Beim Wärmebehandeln von Metallen schützt er Oberflächen vor Verunreinigungen und verbessert Materialeigenschaften. Auch beim Schweißen und Löten dient er als inertes Gas, um saubere Verbindungen ohne Oxidation zu gewährleisten.
Durch die zunehmende Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien wird die Nutzung von Wasserstoff in der Stahl- und Metallindustrie in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere als Schlüsseltechnologie für eine klimaneutrale Produktion.
Wasserstoff ist ein entscheidender Baustein in der Net-Zero Stahlerzeugung
Transport und Lagerung von Wasserstoff
Brenn- und Rohstoffe auf Wasserstoffbasis, sogenannte „Derivate“, die beispielsweise Ammoniak, Methanol und synthetische Kohlenwasserstoffe (Methan, Kerosin, Ethen, Ethylen, etc.) einschließen, sind grundsätzlich einfacher zu lagern und zu transportieren als reiner Wasserstoff, wobei sie auf bestehende Infrastrukturen wie Erdgaspipelines zurückgreifen können, und können in Endverbraucher-Technologien wie Flugzeugen oder Schiffen genutzt werden. Allerdings ist die Herstellung von solchen Brenn- und Rohstoffen auf Wasserstoffbasis mit zusätzlichen Kosten, Energie und Rohstoffen für die (weitere) Umwandlung verbunden.
Vor allem Projekte für die Herstellung von Ammoniak sowie synthetisches Methan und Methanol sind momentan in Betrieb, Planung und Umsetzung. Der hohe Anteil von Ammoniak könnte darauf fußen, dass Ammoniak als Düngemittel direkt als alternativer, emissionsarmer Einsatzstoff für bestehende Prozesse genutzt werden kann. Ammoniak benötigt keinen Kohlenstoff, vereinfacht die Lieferketten und macht es so zu einem attraktiven Vorreiter unter den wasserstoffbasierten Brennstoffen. Außerdem kann Ammoniak als Langstreckentransportmedium für Wasserstoff verwendet werden. Allerdings müssen im Falle einer Verbrennung von Ammoniak die Emissionen von Stickoxiden (NOx) und Lachgas (N2O) als Brennstoff minimiert werden. Auch andere wasserstoffbasierte Kraftstoffprojekte sollen in den kommenden Jahren in allen Regionen der Erde vermehrt umgesetzt werden, darunter Fischer-Tropsch-Kraftstoffe (FT) und synthetisches Methanol, die von der Nachfrage im Luft- bzw. Schifffahrtssektor angetrieben werden.
Produktionskosten Wasserstoff
Wie bereits erwähnt, erhöht die Umwandlung von Wasserstoff in andere Brenn- und Einsatzstoffe die Kosten der Produktion. Bei Ammoniak aus elektrolytischem Wasserstoff machen die Investitionskosten heute mehr als die Hälfte der Produktionskosten aus, was hauptsächlich auf den Elektrolyseur zurückzuführen ist. Sinken also die Elektrolysekosten sinken, sinken auch die Gesamtproduktionskosten, was wiederum den Einflussfaktor der Stromgestehungskosten steigen lässt.
Bei FT-Flüssigkeiten wie synthetischem Kerosin aus elektrolytischem Wasserstoff sind die Produktionskosten je nach CO2-Quelle sehr unterschiedlich. Hier gilt es unter anderem die Kostenfaktoren Elektrolyse und Umwandlungsverluste , Synthese sowie die Verfügbarkeit der CO2-Quelle zu berücksichtigen, wobei die CO2-basierten Kosten vor allem beim Einsatz von Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und Speicherung (BECCS) relevant sind. CO2 aus direkter Luftabscheidung (DAC) unterliegt hierbei nicht denselben Versorgungsengpässen, ist aber aktuell mit wesentlich höheren Kosten verbunden. Die DAC-Technologie befindet sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium, und vermehrter Einsatz und technologische Verbesserungen werden die Kosten senken.
Systemintegration von Wasserstofftechnologien in bestehende Infrastruktur und Industriesysteme
Das AIT bietet im Bereich der Systemintegration von Wasserstofftechnologien in bestehende Infrastruktur- und Industriesysteme umfassende Entwicklungsdienstleistungen an, die einen ganzheitlichen Ansatz zur Optimierung und Skalierung von Wasserstoffanwendungen verfolgen. Hierzu gehören unter anderem technoökonomische Systembetrachtungen, die sich mit den wirtschaftlichen und technischen Aspekten der Integration von Wasserstoff in industrielle Prozesse und Energieinfrastrukturen auseinandersetzen. Diese Analysen ermöglichen eine fundierte Entscheidungsfindung und sichern die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Systeme.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Konzeption und technischen Auslegung wasserstoffbasierter Anlagen mithilfe digitaler Modelle, auch bekannt als „Digital Twin“. Diese virtuellen Zwillinge von Anlagen erlauben es, Betriebsprozesse in Echtzeit zu simulieren, zu optimieren und potenzielle Probleme bereits im Planungsstadium zu identifizieren und zu beheben.
Zusätzlich unterstützt das AIT Unternehmen bei der Beschaffung von Wasserstoffanlagen, indem es technologiespezifische Beratung und Begleitung der Beschaffungsprozesse anbietet. Hierbei werden marktverfügbare Technologien und Systeme analysiert, um die optimale Lösung für die spezifischen Anforderungen der Kunden zu finden.
Ein weiterer wichtiger Service ist die Untersuchung der großflächigen Netzdienlichkeit von wasserstoffgeführten Systemen. Dies umfasst die Analyse der Flexibilität von Systemen, wie beispielsweise reaktionsschnelle Elektrolyseure, die in Verteiler- und Übertragungsnetzen für Demand-Response-Anwendungen genutzt werden können, um Schwankungen im Netz auszugleichen.
Abgerundet wird das Leistungsspektrum durch das Design und die Interoperabilitätsprüfung von IKT-Schnittstellen, die sicherstellen, dass die verschiedenen Systemkomponenten nahtlos miteinander kommunizieren und reibungslos funktionieren.
Die Entwicklungsdienstleistungen des AIT im Bereich Systemintegration von Wasserstoff in Infrastruktur und Industrie umfassen:
- Technoökonomische Systembetrachtungen bei der Integration von Wasserstoff in Industrie und Infrastruktur
- Konzeption und technische Auslegung (Design) von wasserstoffbasierten Anlagen auf Basis digitaler Modelle („Digital Twin“)
- Technologiespezifische Begleitung von Beschaffungsprozessen für Wasserstoffanlagen
- Analyse bestehender Technologien und Systeme am Markt
- Untersuchung der großflächigen Netzdienlichkeit und Flexibilitätseinsatz von wasserstoffgeführten Systemen (z.B. reaktionsschnelle Elektrolyseure für Demand Response) in Verteil- und Übertragungsnetzen
- Design und Interoperabilitätsprüfung von IKT-Schnittstellen
Wasserstoff in der Industrie: Effiziente Dekarbonisierung auch in komplexen Hochtemperaturanwendungen
Im Bereich der Wasserstoffanwendungen für die Industrie bietet das AIT Austrian Institute of Technology umfassende Lösungen, um auch Bereiche in denen CO2-neutrale Technologien besonders schwer und komplex einzuführen ist bei der Transformation zu unterstützen. Besonders im Fokus stehen Hochtemperaturanwendungen, wie Gasbrenner und -öfen, in denen Wasserstoff einen erheblichen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten kann. Wir evaluieren Technologieoptionen auf Standortebene, analysieren technische Lernkurven und Preisentwicklungen und entwickeln maßgeschneiderte Investitionsstrategien. Unsere Services reichen von der Material- und Fertigungsprozessentwicklung auf Komponentenebene bis zur Umstellung industrieller Prozesse auf Wasserstoff und seine Derivate auf Anlagenebene. Zudem bieten wir Lösungen im Bereich Power-to-X- und Carbon-Capture-Utilization-Technologien (CCU), darunter die Nutzung von grünem Wasserstoff in Konversionspfaden, die elektrokatalytische CO₂-Reduktion sowie die Hochtemperatur-Co-Elektrolyse (SOEC). So unterstützen wir die Industrie auf ihrem Weg zu einer CO₂-neutralen Zukunft.