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Symbolfoto: Das AIT ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung

ReForming statt Remelting

Denken wir Recycling einen Schritt weiter!

Die Primärerzeugung von Leichtmetallen wie Aluminium, Magnesium und Titan ist mit einem enormen Energieaufwand verbunden. Die metallerzeugende und -verarbeitende Industrie verursacht somit beträchtliche Mengen an CO2-Emissionen. Daher besteht in diesem Bereich großer Handlungsbedarf, um die Klimaziele zu erreichen. Recycling kann hier einen entschiedenen Beitrag leisten: Wird altes Aluminium eingeschmolzen und neu gegossen, können bereits 90 bis 95 Prozent der Energie im Vergleich zur Primärerzeugung eingespart werden. Doch denken wir noch einen Schritt weiter!

Hier setzt ReForming an – eine Sonderform des Reuse bzw. Refurbishment. Am LKR Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen des AIT Austrian Institute of Technology verfolgen wir das Ziel, metallische Bauteile in eine neue Form zu bringen – ohne das Metall dabei umschmelzen zu müssen. Dies bringt entscheidende energetische Vorteile gegenüber der üblichen Recyclingroute. Denn neben dem energieintensiven Umschmelzen entfallen auch Schritte des Schredderns, des Sortierens und des Aufbereitens.

Auf dem Weg zum Metallrecycling von morgen

Gemeinsam mit verschiedenen Vertretern aus Industrie und Forschung soll nun in vier Ettapen ein Ökosystem für das ReForming von Bauteilen geschaffen werden.

  1. Umfassende Nutzung aller InHouse-Schrotte: Ziel dabei ist es, Fehlchargen, Reststücke etc. durch Optimierungstools zu neuen Bauteilen umzuformen – und das unter Berücksichtigung der vorgeschalteten Prozesshistorie (z.B. Wärmebehandlunge, Ausdünnung durch bestimmte Umformverfahren etc.).
  2. Aufarbeitung von ausgewählten End-of-Life-(EoL-)Schrotten – wie Batteriekästen, Motorhauben, etc.: Durch die Auswahl geeigneter Umformverfahren (z.B. Warmumformung, kryogene oder elektroplastische Umformung) und angepasst an die jeweiligen Gegebenheiten kann somit eine optimale Funktionalität im zweiten Lebenszyklus sichergestellt werden – und natürlich dann auch im dritten oder vierten.
  3. Schaffung eines ReForming-Ökosystems: Basis dafür ist eine umfassende und klare Identifizierung des Materials, die genaue Aufzeichnung jedes Verfahrensschrittes (Temperatur, Umformgrad, Blechdünnung, etc.), die Anwendung  eines gezielten ReForming-Designs sowie die Bereitstellung optimaler Bearbeitungspfade.
  4. Schaffung der perfekten Werkstoffsysteme: Dazu zählt die Verwendung von selbstausheilenden feinrekristallisierenden Legierungen sowie die  Anwendung breiter Wärmebehandlungsfenster mit optimalen Eigenschaftsprofilen am fertigen Bauteil.

Leichtbauwerkstoffe sparen dann nicht nur über ihren ersten Lebenszyklus Energie und Emissionen ein. Sie bringen auch gleich die maximalen Einsaprungspotentiale für ihr zweites, drittes oder viertes Leben mit – das ermöglicht Recycling der ganz neuen Art!

ProMetHeus: Gebündelte Kompetenz in einem breit aufgestellten Konsortium

Im Rahmen des österreichischen Forschungsprojekts ProMetHeus soll das ReForming-Konzept auf eine neue Stufe gehoben und näher an die industrielle Umsetzung herangeführt werden.

Die Forschungsarbeit in Bezug auf ReForming fokusiert insbesondere auf folgende drei Bereiche:

  • energieeffiziente Verarbeitung von Inhouse- und vor allem EoL-Schrotten in neuartige Produkte – ohne hochenergetisches Umschmelzen
  • Schaffen von digitalen Strukturen, die das ReForming ökologisch und ökonomisch sinnvoll umsetzbar machen
  • Vereinen von verschiedensten Disziplinen – Metall und Digital

Weitere Teilaspekte von ProMetHeus befassen sich unter anderem mit der Weiterentwicklung von Titanlegierungen.

Internationale Zusammenarbeit zur Etablierung des ReForming-Ökosystems

Auch auf europäischer Ebene entstehen gerade Projekte, um das ReForming-Ökosystem zu entwickeln und aufzubauen. Aktuelle EU-Ausschreibungen fokussieren besonders auf Reuse: mögliche Schwerpunktthemen sind dabei das Dismanteling von Fahrzeugen oder Flugzeugen, die Logistik für Bauteile, das Entlacken von Bauteilen bzw. die Entwicklung von mitverformbaren Lacken sowie die zerstörungsfreie Analyse der Fehlerfreiheit und Lebensdauer der Produkte.

Eine auf künstlicher Intelligenz basierende Plattform wird neuartige ReForming-Fertigungsstrategien digital unterstützen. Um die Nachhaltigkeit der Prozesse abzubilden, soll ein ReForming Data Space geschaffen werden. Dieser wird dazu beitragen, den sinnvollsten und energieeffizientesten ReForming-Weg zu identifizieren sowie den Rohstoffeinsatz und die Transportwege zu optimieren. Alle Produktinformationen, die es für weitere Lebenszyklen braucht, sollen dauerhaft bereitgestellt werden.

Entsprechende Partnernetzwerke sind gerade im Entstehen – ambitionierte Ziele treffen auf motivierte Partner!

 

Entwicklung eines nachhaltigen ReForming-Ökosystems

Carina Schlögl, Leiterin des Forschungsfeldes „Advanced Forming Processes“ am LKR, führt aus: „Gemeinsam wollen wir Industriezweige wie beispielsweise Automobilhersteller, Flugzeugbauer und deren Zulieferer darin unterstützen, ihre Produkte noch nachhaltiger zu gestalten. Ziel ist es, dem Werkstoff die nötigen Informationen mitzugeben, um nicht nur über die Lebensdauer eines Produktes, sondern letztlich über viele weitere Lebenszyklen Energie, CO2 und Rohstoffe einzusparen. Dafür brauchen wir starke Partner und klare Vorgaben der Industrie.“