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Symbolfoto: Das AIT ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung

Transform Industry

Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2024, welches die österreichische Bundesregierung gesetzt hat, zu erreichen, ist es nötig, verschiedene Sektoren genauer zu betrachten – so auch den Industriesektor. Die Schwierigkeit liegt hierbei vor allem dabei, dass in diesem Sektor große und langfristige Investitionen die Regel sind. Somit sind Investitionen in klimaneutrale Technologien ehestmöglich notwendig, um Sunk Costs sowie Lock-in Effekte zu vermeiden. Um diese Investitionen zu ermöglichen sind stabile Rahmenbedingungen erforderlich. Neben der Gefahr der "Carbon Leakage" wird auch "Green Leakage" zunehmend zu einem volkswirtschaftlichen Risiko. Es beschreibt die Gefahr der Abwanderung von Unternehmen, weil diese in ihren Stammländern nur mangelnde Rahmenbedingungen für eine Transformation in Richtung Klimaneutralität wiederfinden. Diese Rahmenbedingungen können nur geschaffen werden, wenn die Wirkung innovativer Energietechnologien für Netto-Null Treibhausgasemissionen in der Industrie quantifiziert und verstanden wurde.


Ziel des Projekts transform.industry war es, diese Wirkung durch die Entwicklung realistischer, szenarienbasierter Transformationspfade für Klimaneutralität der österreichischen Industrie im Jahr 2040 darzustellen und darauf fußende innovationspolitische Handlungsempfehlungen abzuleiten. Anhand der entwickelten Transformationspfade soll dargestellt werden, wie sich Klimaschutz, Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie miteinander vereinbaren lassen, beziehungsweise welche Zielkonflikte auf politischer Ebene gelöst werden müssen. Daraus entstehende Trade-offs können direkt in zusätzliche Emissionsvermeidungskosten übersetzt und somit bewertet werden.

Durch eine ganzheitliche Betrachtung des österreichischen Energiesystems mit Fokus auf die Industrie wird eine kombinierte technische, betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Optimierung erreicht. Die Modellierung von Energieeinsätzen nur in der Industrie birgt die Gefahr, dass Bedarfe in anderen Sektoren, wie z.B. Transport und Landwirtschaft, nicht korrekt berücksichtigt werden. Um dies zu verhindern und Wechselwirkungen aufzeigen zu können, werden auch weitere Sektoren auf einem hohen Level mitberücksichtigt.

Das Projekt transform.industry soll als Grundlage für ein umfassendes Transformationsmanagement in der österreichischen Industrie dienen. Eine gemeinsam mit Stakeholdern entwickelte strategische Forschungs- und Innovationsagenda zeigt die Entwicklungsschritte auf, die notwendig sind, um die Klimaziele zu erreichen. Die Ergebnisse sollen Eindruck hinterlassen und für relevante Stakeholder wie politische Gestalter oder Fördergeber gut anwendbar sein. Durch die Kommunikationsstrategie soll das Bewusstsein über die Wichtigkeit und Dringlichkeit dieses Thema auch in der breiten Öffentlichkeit gestärkt werden. Eine Transformation des Industriesektors bis 2040 wird ohne Unterstützung der Öffentlichkeit schwer umsetzbar sein. Durch ein breites Angebot an Kommunikationskanälen werden unterschiedlichste Zielgruppen angesprochen und so die Bedeutung der Transformation zielgruppenorientiert vermittelt.

Inhalte und Methodik

Ausgehend von neun Technologiefamilien zur Prozesstransformation und acht Basistechnologien zur Wärmebereitstellung wurde ein Verbrauchsmodell für die Industrie entwickelt. Berücksichtigt wurden auch unterschiedliche Formen der Energiebereitstellung. In vier Szenarien, welche die für 2040 gesetzten klimapolitischen Ziele erreichen, wurde die maximale Ausprägung von Technologie- und Energieträger-Anwendungen modelliert und verglichen. Die Resultate erlauben nicht nur eine technologiespezifische Sensitivitätsbewertung, sondern geben auch Aufschluss über die Wahrscheinlichkeit der Anwendung und Durchdringung.

Die vier Szenarien

  1. Erneuerbare Gase: In diesem Szenario wird die Transformation der Industrie durch die Bereitstellung von erneuerbaren Gasen durch Energieversorgungsunternehmen umgesetzt.
  2. Kreislaufwirtschaft: Hier gelingt die Transformation durch eine gesteigerte Materialeffizienz und höhere Recyclingquoten, wodurch die energieaufwändige Grundstoffherstellung substanziell reduziert werden kann. Dies erfordert eine Integration der Wertschöpfungsketten auch zwischen Betrieben.
  3. Innovation: In diesem Beispiel werden in hohem Ausmaß Best-Available und Breakthrough-Technologien eingesetzt. Grundlage der Maßnahmen bildet eine hohe Integration von Wertschöpfungsketten vor allem in den Betrieben.
  4. Sektorkopplung: Hier wird ein Optimierungsansatz verfolgt, bei dem der inländische Primärenergieverbrauch auf Basis der nachgefragten Energiedienstleistungen minimiert wird und zu diesem Zweck Energie exergetisch optimal eingesetzt wird.

Zudem wurden in der Studie die Investitions- und Energiekosten abgeschätzt und eine volkswirtschaftliche Bewertung der unterschiedlichen Szenarien vorgenommen. Daraus wurden folgenden Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Ergebnisse und Kernaussagen

Elektrizität und Biomasse müssen maximal wertschöpfend genutzt werden

Die Nutzung der in Österreich verfügbaren Energieträger muss nach technologischen Erfordernissen sowie nach Temperaturniveaus priorisiert werden.

 

Für die notwendige Planungssicherheit der Technologietransformation braucht es klare Rahmenbedingungen

  • Energiepreis- und Verfügbarkeitssicherheit
  • Rasche Genehmigungen von Netzen und Anlagen bei insgesamt überwiegendem Umweltnutzen
  • Klarheit bezüglich Treibhausgasbesteuerung (ETS und CBAM[1])
  • Zeitnahe Bereitstellung entsprechender Infrastrukturen für Transport von CO2-neutralen Gasen, einschließlich Gemischen und Wasserstoff-Derivaten
  • Logistische Lösungen und gesetzliche Grundlagen für den Transport und die Nutzung von CO2

 

Der Energiebedarf der Industrie wird bis 2040 um ca. 10% auf 133 TWh bis 143 TWh steigen

Um Preisstabilität und Planbarkeit zu gewährleisten, sind maximale Anstrengungen durch den Ausbau in Österreich vorkommender erneuerbarer Potenziale erforderlich.

 

[1] Emissions Trading System/Emissionshandelssystem, Carbon Border Adjustment Mechanism/CO2-Grenzausgleichsystem

Ohne Kohlenstoffabscheidung bzw. -speicherung oder -verwertung sind die Klimaziele nicht erreichbar

Auch bei einer erfolgten Transformation der Industrie verbleiben relevante Mengen an z.B. geogenen CO2-Emissionen. Mögliche Lösungsansätze sind in weiterführenden Studien noch zu bewerten.

 

Unterschiedliche Strategien für energieintensive und nicht energieintensive Sektoren notwendig

Im energieintensiven Sektor müssen spezifische Produktionstechnologien rasch weiterentwickelt, demonstriert und breit ausgerollt werden. Der nicht energieintensive Sektor muss die Einführung bereits weit entwickelter sektorübergreifender Technologien (z. B. Wärmepumpen) beschleunigen. Es sind dazu industrie-, standort- und innovationspolitische Strategie- und Maßnahmenpakete unter Einbindung aller Sozialpartner und der betroffenen Bundesländer und Regionen zu entwickeln.

 

Anreizsysteme durch Förderungen notwendig

F&E-Bedarf und eine entsprechende öffentliche Unterstützung besteht vor allem bei der Integration und Implementierung von Technologien im industriellen Maßstab. Um die Zielsetzung in der gewünschten Zeit zu erreichen, sind neben den bestehenden, regulativen Instrumenten auch positive Anreize, wie etwa Förderungen für Investitionen und Betriebskosten erforderlich.