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Eine Person analysiert auf einem Tablet zwei Roboter-Arme bei der Arbeit

Wie intelligente Maschinen den Menschen unterstützen

24.10.2022

Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) werden in Produktionsprozessen und bei der Entwicklung autonomer Maschinen und Fahrzeuge auf vielfältige Weise eingesetzt. Das AIT veranstaltet bei der Berlin Science Week am 7. November die hochkarätige besetzte Veranstaltung „AI-enabled Automation“, in der diskutiert wird, wie intelligente Maschinen den Menschen unterstützen und bei der Lösung großer Zukunftsprobleme, wie z. B. Ressourcenschonung, Klimaschutz oder Knappheit von Arbeitskräften, helfen können.

Maschinen, die selbsttätig eine Tätigkeit verrichten, faszinieren die Menschheit seit eh und je. Noch dazu, wenn ihre Aktivitäten intelligent wirken – wie zum Beispiel der sogenannte „Schachtürke“, der im Frühling des Jahres 1770 den Wiener Hof begeisterte. Der österreichisch-ungarische Hofbeamte und Mechaniker Wolfgang von Kempelen zeigte damals „Kaiserin“ Maria Theresia sein neuestes Werk: einen Schachtisch, an dem eine menschenähnliche, türkisch gewandete Figur saß, die mit einem mechanischen Arm Schachfiguren bewegen konnte – und gegen die meisten Gegenspieler auch gewann. Man rätselte lange Zeit, wie die Maschine, in deren Innerem deutlich hörbar Zahnräder am Werk waren, dies schaffte. Der Erfinder bewahrte Zeit seines Lebens Schweigen darüber, dass es sich schlicht um eine Täuschung, einen Betrug handelte: Im Inneren des Apparats war ein menschlicher Schachspieler versteckt, der den Mechanismus bediente. 
Mit dem technischen Fortschritt wurde es indes immer plausibler, dass Maschinen tatsächlich solche Fähigkeiten erlangen könnte. So wunderte sich kaum mehr jemand, als im Jahr 1996 der IBM-Computer „Deep Blue“ erstmals einen amtierenden Schachweltmeister schlagen konnte. Die Menschheit hatte in den dazwischen liegenden zwei Jahrhunderten den Aufstieg der Technik erlebt und sich an den Gedanken gewöhnt, dass Maschinen so manche Aufgabe übernehmen können, die zuvor dem Menschen vorbehalten war, und manche Dinge sogar besser bewältigen können. Rechenmaschinen zum Beispiel, die unermüdlich und ohne Fehler Zahlen addieren. Oder später Industrieroboter, die in vom Menschen unerreichbarer Schnelligkeit und/oder Präzision Teile montieren oder Oberflächen bearbeiten.

Roboter-Arme die bei einem Fließband arbeiten

© unsplash

Autonom arbeitende Maschinen müssen sehr viele Fähigkeiten beherrschen. Das umfasst z. B. die Regelung von Hydraulikkomponenten und des mechanischen Systems, die zuverlässige Aufgaben- und Bewegungsplanung inklusive Lokalisierung der Eigenposition – auch bei sich verändernden Umgebungen –, das richtige Greifen von Objekten, die robuste Wahrnehmung der Umgebung sowie die Objektklassifizierung zur korrekten Interpretation des Umfelds. Bei diesen komplexen Aufgaben helfen KI-Systeme erheblich.

Roboter sind bereits auf dem Acker unterwegs

Ob man solche Geräte als „intelligent“ bezeichnen kann, darüber kann man trefflich streiten. Heute gibt es jedenfalls Maschinen, die tatsächlich autonom und weitgehend unabhängig vom Menschen Aufgaben erledigen können. Ein Beispiel aus einem Bereich, den man auf den ersten Blick als nicht allzu innovativ einschätzen würde: In der Landwirtschaft sind bereits autonome Arbeitsmaschinen im Einsatz, die – mit GPS und Sensoren gesteuert – selbsttätig ihre Furchen auf Feldern ziehen. Serienreif sind auch schon kleine, vierrädrige Roboter, die als Flotte von autonomen Spezialmaschinen zusammenarbeiten. Diese Vehikel säen Samen aus, merken sich, wo eine Nutzpflanze steht, erfassen mit Sensoren (und einer Auswertung der Daten mittels KI-Methoden) Unkräuter und töten unerwünschte Pflanzen mit Hochspannungsimpulsen ab. Mit solchen Systemen lässt sich „precision farming“ betreiben: Jedes Feldstück, ja jede Pflanze, erhält dabei genau die Behandlung, die nötig ist – von Bewässerung und Düngung bis hin zur Bekämpfung von Schädlingen. Noch haben solche Farm-Roboter ihren Preis und noch sind viele Fragen ungelöst, zum Beispiel über die Nutzung der erhobenen Daten. Doch ihnen wird eine große Zukunft vorhergesagt, nicht zuletzt deshalb, weil es immer schwieriger wird, Erntehelfer:innen und qualifiziertes Personal für die Feldarbeit zu finden.

Qualitätsinspektion in der Industrie

Ein anderer Einsatzbereich von KI in der Sachgüterproduktion ist „predicitive maintenance“. Dabei lernen KI-Systeme einen Zusammenhang zwischen gewissen Messdaten und der Leistung von Maschinen. Wenn es zu einer größeren Abweichung vom erwarteten Systemverhalten kommt, wird dies vom System automatisch signalisiert – dann ist eine Wartung oder Reparatur fällig. Durch die Echtzeitinformationen über den Zustand der Ausrüstung können mögliche Produktionsunterbrechungen erkannt werden, bevor sie auftreten – und somit vermieden werden. 
KI-Systeme werden zunehmend auch eingesetzt, um die Qualität von Industriegütern sicherzustellen bzw. zu steigern. Hier spielen moderne Inspektionssysteme eine große Rolle, wie sie beispielsweise am AIT Austrian Institute of Technology entwickelt werden. Beim sogenannten „Inline Computational Imaging“ (ICI) werden Objekte auf einem Fließband unter Hochgeschwindigkeitskameras vorbeibewegt. Für die Auswertung der Kameradaten wurden spezielle Algorithmen entwickelt, die unter anderem blitzschnell 3D-Rekonstruktionen der zu prüfenden Objekte erstellen, in denen man kleinste Defekte an der Oberfläche detektieren kann. Dabei kommen klassische Methoden der Bildverarbeitung zum Einsatz, die mehr und mehr mit KI-Verfahren ergänzt werden. Das ermöglicht beispielsweise eine Segmentierung von Rissen in den Prüfobjekten oder eine Klassifikation von Fehlern. Auf diese Weise werden die Auswertungsmethoden sukzessive verfeinert und die Qualität der Inspektion immer weiter gesteigert.

Miniaturansicht der Wickelfalz

© AIT

Beim sogenannten „Inline Computational Imaging“ (ICI) werden Objekte auf einem Fließband unter Hochgeschwindigkeitskameras vorbeibewegt. Durch intelligente Bildverarbeitung werden Fehler automatisch erkannt und klassifiziert.

Autonome Maschinen und Fahrzeuge

Ein strategisches Forschungsziel des AIT ist die Entwicklung von autonomen Arbeitsmaschinen, wie Bagger, Kräne, Gabelstapler etc. Diese sollen den Menschen in seiner Tätigkeit unterstützen und schwere, gefährliche oder monotone Aufgaben übernehmen. So wurde kürzlich am Standort Seibersdorf ein Testgelände aufgebaut, in dem beispielsweise ein autonomer Verladekran für Baumstämme entwickelt und getestet wird. Die Aufgabe „Fahr zum Baumstamm, greif den Baumstamm und bring ihn zum Laster!“ ist für den Menschen eine klar definierte und (mit dem entsprechen-den Gerät) leicht lösbare Aufgabe. Für Maschinen war dies bisher kaum möglich. Denn hinter dem scheinbar einfachen Befehl stecken viele komplexe Aufgaben und Forschungsfragen. Das umfasst z. B. die Regelung von Hydraulikkomponenten und des mechanischen Systems, die zuverlässige Aufgaben- und Bewegungsplanung inklusive Lokalisierung der Eigenposition – auch bei sich verändernden Umgebungen –, das richtige Greifen von Objekten, die robuste Wahrnehmung der Umgebung sowie die Objektklassifizierung zur korrekten Interpretation des Umfelds. Bei diesen komplexen Aufgaben helfen KI-Systeme erheblich. 
Noch wesentlich größer werden die Anforderungen für Roboter, wenn sie „geschützte“ und wohldefinierte Umgebungen wie etwa Fabrikhallen, Felder oder Holzverladeplätze verlassen und sich in der realen Welt zurechtfinden müssen – mit allen möglichen störenden und oft unvorhersehbaren Einflussfaktoren, die sich unmöglich alle schon im Vorfeld berücksichtigen lassen. Problematisch sind dabei insbesondere Sicherheitsaspekte: Von autonomen Maschinen dürfen niemals Gefahren für andere Gegenstände und erst recht nicht für den Menschen ausgehen. Um das zu gewährleisten, ist eine genaue Kenntnis ihrer Umgebung nötig. Dieser Punkt ist in vielen Anwendungen die wirklich „harte Nuss“, die es zu knacken gilt.

x=f(x,u) Formel die Waldarbeit-Automatisierung beschreibt

© AIT

Die Aufgabe „Fahr zum Baumstamm, greif den Baumstamm und bring ihn zum Laster!“ ist für den Menschen eine klar definierte und (mit entsprechendem Gerät) leicht lösbare Aufgabe. Für Maschinen war dies bisher kaum möglich. Denn hinter dem scheinbar einfachen Befehl stecken viele komplexe Aufgaben und Forschungsfragen.

Knackpunkt Umgebungserkennung

In vielen Fällen ist es sinnvoll, einen „digitalen Zwilling“ der Umgebung zu erstellen. Das kann beispielsweise mithilfe von Kamerasystemen, Radarsensoren oder Lasermessungen geschehen. Daraus kann mit mathematischen Verfahren ein hochgenaues 3D-Modell der Umgebung erstellt werden, das in einem nächsten Schritt segmentiert wird. Einzelne Objekte – etwa ein Verkehrszeichen oder ein:e Passant:in – werden klassifiziert, und ihnen werden gewisse Eigenschaften zugeordnet (etwa dass ein Verkehrs-zeichen einen fixen Standort hat, sich Fußgänger:innen aber bewegen). Dabei leisten Machine-Learning-Methoden wertvolle Dienste, die zum Beispiel gelernt haben, ein Verkehrszeichen zu identifizieren, diese Information mit anderen zu verknüpfen, um in der Folge zu einem Szenenverständnis zu gelangen, auf dessen Basis Entscheidungen getroffen werden können. 
Bei autonomen Fahrzeugen ist diese Umgebungserkennung die Basis für die Bewegungsplanung und die Steuerung des Autos. Laut Expert:innen ist die richtige Interpretation des Umgebungsmodells das schwächste Glied beim autonomen Fahren. Eine fehlerhafte Klassifizierung, etwa eines entgegenkommenden Fahrzeugs oder eines querender Fußgänger:innen kann desaströse Konsequenzen haben – wie einige berühmt gewordene Unfälle von Testautos namhafter Konzerne zeigen.

Erfassen ganzer Situationen

„Das Erfassen von ganzen Situationen ist wesentlich mehr als das Erfassen eines einzelnen sensorischen Signals. In modernen Automatisierungssystemen werden unterschiedliche Sensormodalitäten und bildgebende Verfahren mit daten- und physikalisch basierten Modellen kombiniert. Durch die Rechenpower, die man heute zur Verfügung hat, kann man dann diese Informationen nutzen, um das Systemverhalten zu optimieren, Ressourcen zu sparen und Entscheidungen zu treffen, was im nächsten Schritt zu tun ist“, erläutert Andreas Kugi, Professor für komplexe dynamische Systeme am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik (ACIN) der TU Wien sowie Co-Leiter des AIT Centers for Vision, Automation & Control. „Dabei spielt KI eine entscheidende Rolle. Die große Herausforderung besteht darin, wie man diese Daten interpretieren kann. Dazu kombiniert man Methoden der Sensorfusion mit maschinellem Lernen und a-priori-Wissen in Form von physikalischen Modellen oder semantischer Information.“

Portrait von Andreas Kugi, Professor für komplexe dynamische Systeme am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik

© Andreas Kugi

„Die große Herausforderung besteht darin, wie man diese Daten interpretieren kann. Dazu kombiniert man Methoden der Sensorfusion mit maschinellem Lernen und a-priori-Wissen in Form von physikalischen Modellen oder semantischer Information.“

Andreas Kugi, Professor für komplexe dynamische Systeme am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik (ACIN) der TU Wien sowie Co-Leiter des AIT Centers for Vision, Automation & Control

Testen und Validieren

Ein großes Problem bei KI-Methoden ist, dass Machine-Learning-Systeme immer nur Wahrscheinlichkeitsaussagen liefern – und das ist mit sicherheitskritischen Anwendungen wie dem autonomen Fahren, bei denen man eine möglichst hohe Sicherheit verlangen muss, nur schwer vereinbar. Daher werden an das Testen und Validieren solcher Systeme besonders hohe Anforderungen gestellt. Solche Methoden werden unter anderen in der Gruppe „Dependable Systems Engineering“ des AIT Centers for Digital Safety and Security entwickelt. Dabei geht es im Kern darum, zu verifizieren, ob eine KI richtig arbeitet. Um das herauszufinden, setzt man ein autonomes Fahrsystem beispielsweise in einer Simulationsumgebung einer kritischen Situation mit anderen Autos oder Fußgänger:innen aus und kann dadurch bei genau definierten Rahmenbedingungen testen, ob das System im Fahrzeug richtig reagiert. 
Je komplexer die zu prüfenden Systeme werden, umso mehr steigt der Aufwand für das Testen; die klassischen Prüfverfahren funktionieren dabei immer schlechter. Daher ist ein zweites große Forschungsthema die Nutzung von KI, um Verifizierungs- und Testtechniken zu verbessern. Wichtige Stoßrichtungen bei der Weiterentwicklung sind es, die Verfahren schneller zu machen oder auftretende Fehler besser eingrenzen und erklären zu können. Die Optimierung solcher Tests ist auch hinsichtlich der Abwägung von Kosten und Nutzen wichtig: In manchen Fällen machen Testen und Verifizieren 50 bis 70 Prozent des gesamten Entwicklungsaufwands aus. 

Diskussion bei der Berlin Science Week

Maschinen der Zukunft sollen den Menschen nicht ersetzen, sondern unterstützen. Das Ziel ist es dabei, die jeweiligen Stärken von Menschen und Maschinen miteinander zu kombinieren. Intelligente Maschinen können den Menschen von anstrengender, gefährlicher und monotoner Arbeit entlasten und Produktionsprozesse effizienter, flexibler, nachhaltiger und resilienter gestalten. Der Mensch kann sich auf komplexere, überwachende oder kreative Aktivitäten konzentrieren und im Sinne gesamtheitlicher Problemlösung wirken. Die technischen Abläufe werden dabei auf die Bedürfnisse und Notwendigkeiten des Menschen ausgerichtet. 
Das AIT Austrian Institute of Technology richtet am 7. November 2022 (14-16 Uhr) bei der „Berlin Science Week“ im Einstein Center Digital Future (Wilhelmstraße 67) eine Diskussionsveranstaltung mit führenden Expert:innen aus diesem Bereich aus: Andreas Kugi (TU Wien, AIT), Lydia Kaiser (TU Berlin), Matthias Scheutz (Tufts University, AIT), Elisabeth André (Universität Augsburg), Manfred Tscheligi (Universität Salzburg, AIT), und Johannes Winter (L3S).
Die Panel Discussion soll konkrete Antworten geben, wie intelligente Maschinen bei der Bewältigung künftiger Herausforderungen, wie z. B. Ressourcenschonung, Klimaschutz oder Knappheit von Arbeitskräften, helfen können. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, sich an dieser Diskussion aktiv zu beteiligen.

Innenansicht eines selbstfahrendes Autos

© GettyImages

Ein großes Problem bei KI-Methoden ist, dass Machine-Learning-Systeme immer nur Wahrscheinlichkeitsaussagen liefern – und das ist mit sicherheitskritischen Anwendungen wie dem autonomen Fahren, bei denen man eine möglichst hohe Sicherheit verlangen muss, nur schwer vereinbar. Daher werden an das Testen und Validieren solcher Systeme besonders hohe Anforderungen gestellt.