Akustische Schienenzustandserfassung im Wiener Straßenbahnnetz
Über 900 Millionen Fahrten werden jährlich auf dem Wiener ÖPNV-Netz durchgeführt, was einem modalen Anteil von ca. 40 % entspricht. Rund ein Drittel dieser Fahrten wird mit der Straßenbahn zurückgelegt. Dennoch stellt der schienengebundene Oberflächenverkehr eine erhebliche Lärmquelle dar, die zur Belästigung der AnwohnerInnen entlang der 430 km Straßenbahngleise Wiens durch direkte Schallimmissionen oder abgestrahlten Körperschall führen kann. Vor allem schlecht gewartete Gleise oder Unregelmäßigkeiten verursachen tonale oder impulsförmige Schall- und/oder Schwingungsemissionen und führen somit zu einer erhöhten Anzahl von Beschwerden.
Derzeit wird die Straßenbahngleisgeometrie auf dem Wiener Netz mit einem Gleismesswagen überwacht. Basierend auf von AIT installierten Mikrofonen, die zur Erkennung von Riffelungen und Kurvenquietschen eingesetzt werden, zielt das Projekt ASSESS darauf ab, den Einsatz dieses akustischen Überwachungssystems auf die Erkennung des gesamten Gleiszustandes auszuweiten. Die Netzüberwachung könnte letztlich zu einer verbesserten Lärmminderung und einem verbesserten Lärmschutz in städtischen Gebieten führen, wo unterschiedliche Emissionswerte auf unterschiedliche Gleiszustände zurückgeführt werden können (bei angemessener Berücksichtigung von Umwelteinflüssen wie Temperatur und Feuchtigkeit), wobei gleichzeitig die Wirksamkeit von Instandhaltungsmaßnahmen wie Schienenschleifen untersucht werden könnte. Durch die Erweiterung der Möglichkeiten eines bereits bestehenden Monitoringsystems und die Nutzung der regelmäßigen Inspektionen, die entlang des gesamten Stadtnetzes durchgeführt werden, wird mit diesem Projekt eine äußerst kostengünstige Möglichkeit geschaffen, den verfügbaren Inspektionswagen um Lärmschutz und Lärmvermeidung zu erweitern, ohne auf ein zusätzliches, eigenständiges System zurückgreifen zu müssen. Langfristig können die aus diesen akustischen Messungen gewonnenen Daten zur Vorhersage von Alterungsprozessen und der Entwicklung von Gleisunebenheiten beitragen und damit die Planung von Präventivmaßnahmen zur Reduzierung von Schall- und Schwingungsemissionen ermöglichen.
Ein weiteres Ziel von ASSESS ist die Untersuchung von Hotspots mit erheblichen Emissionen beim Überfahren von Diskontinuitäten. Es wurde ein Algorithmus zur Erkennung z.B. von Weichen entwickelt, dessen Einsatz potenziell auf jede Form von Gleisunregelmäßigkeiten, die zu impulsartigem Lärm führen, erweitert werden könnte. In diesem Zusammenhang werden auch die an den Achsen des Schienenprüfwagens gemessenen Schwingungen untersucht und in den Algorithmus integriert, um die Genauigkeit der Erkennung zu verbessern. Da Gleisunregelmäßigkeiten zu erhöhten dynamischen Belastungen zwischen den Rädern und den Schienen führen, werden diese Schwingungen in den Daten der Beschleunigungsaufnehmer und auch bei Immissionsmessungen an Fundamenten nahegelegener Gebäude zu beobachten sein.
Gefördert durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Rahmen des Programms "Mobilität der Zukunft" 2015.